Ausstellungsansicht Innenhof Museum Franz Gertsch
Exhibition view Museum Franz Gertsch
Rising Elements, The external form of emptiness, Passages
Foto: Thomas Gerber, Burgdorf
© Max Roth
Max Roth
Monolithische Skulpturen
15.04.2007 – 28.10.2007
Die Form der Leere | Monolithische Skulpturen von Max Roth
Bei der Betrachtung der jüngeren Holzskulpturen von Max Roth (Bern, geb. 1954) tastet sich der Blick an der materiellen Form aus Holz entlang. Auch die Hände können dies nach Aussagen des Bildhauers gerne ausprobieren (birgt allerdings die Wahrscheinlichkeit, sich schwarze Hände einzuhandeln). Durch das Zusammenspiel von Seh- und Tastsinn wird deutlich, weshalb wir unsere Umwelt nach den körperlichen, materiellen Volumen bestimmen. Sie sind greifbar und somit, zumindest potentiell, be-greifbar. Das jedoch, was einer unseren Sinnen zugänglichen Materialität entbehrt, erfährt gewöhnlich keine weitere Aufmerksamkeit. Roth widmet sich in diesen Holzskulpturen nun genau dieser Leere. Das, was wir sehen, bildet lediglich die Hülle der Form. Die Form selber, das ist der Raum in diesen schalenartigen Gebilden.
Aufgrund des Interesses des Berner Künstlers nicht am Konkreten, sondern an Urprinzipien, nahmen seine Skulpturen im Laufe der Zeit einen immer stärkeren Abstraktionsgrad an. Aus Ganzkörperfiguren wurden Köpfe. Dabei interessierte ihn nicht der expressionistische, sondern der symbolhafte Charakter. Folglich entfielen auch die letzten, ohnehin reduzierten Verweise auf ein menschliches Antlitz und aus Köpfen wurden Töpfe. Der vielgereiste Künstler entdeckte schließlich in Mexiko eine präkolumbianische Form, die den Töpfern dazu diente, auch ohne Drehscheibe Gefäße aus Ton herzustellen. Dieses Modell war also die Innenform, der Leerraum der Töpfe. Dieser Fund inspirierte Roth dazu, seine Skulpturen als Hüllen einer Form zu begreifen. Mit der Motorsäge gestaltet er den Hohlraum. Dabei nähern sich die Formen ihrer Hülle an. Aber, so Max Roth, «die äussere Form ist immer ein Resultat der inneren Form, dieser eben nicht vorhandenen Form».
Nun wäre es bezüglich seiner Skulpturen korrekter, von monoxylischen Skulpturen zu schreiben. Monolithisch klingt vertrauter und ist bekannt für Skulpturen, die aus einem Steinblock gehauen wurden. Weshalb diese Bezeichnung jedoch bei den Holz-, also nicht Steinskulpturen, von Roth verwendet wird, mag aus der Affinität herrühren, die der Künstler zur monolithischen Architektur Indiens verspürt. Diese, wie beispielsweise der Tempel Kailasa in Ellora, ist aus einem einzigen Felsen herausgemeisselt. Dennoch wirkt sie, als sei sie aus einzelnen, bearbeiteten Steinblöcken konstruiert. Sie ahmt die Architektur ihrer Zeit nach. Auch Roths Holzskulpturen scheinen aus mehreren Teilen zusammengesetzt zu sein und gehen doch aus einem einzigen Baumstamm hervor.
In verschiedenen Ausstellungen hatte der Bildhauer seine Skulpturen fotografischen Aufnahmen jener indischen, «monolithischen Architektur» gegenübergestellt. In dieser Ausstellung sind es seine Fotografien von Gletschern. Roth nimmt sie als riesige monolithische Skulpturen wahr. Durch die Bewegung, das Fliessen der Eismassen bilden sich Risse im Gefüge des Gletschers. Regen, Wind und Sonne formen diese Hohlräume zu bildnerischen Systemen heraus, in denen der Künstler eine große Ähnlichkeit zu seinen Skulpturen erkennt. Darüber hinaus weist der Gletscher durch die Jahr um Jahr gebildeten Ablagerungen von Schnee eine den Jahresringen eines Baumstammes verwandte Struktur auf. Die hier ausgestellten Skulpturen wiederum nähern sich durch die Bearbeitung mit Graphit der felsartigen Couleur an, ohne ihre Holzstruktur gänzlich zu verbergen oder aufzugeben.
Die Skulpturen Max Roths verschließen sich nicht gegenüber dem Betrachter, verbergen ihm kein Geheimnis, das er nicht entschlüsseln könnte. Ihre Ambivalenzen jedoch, seien es die ihrer Materialität oder die ihres Form- und Raumverständnisses, brechen mit seinen Wahrnehmungskonventionen und machen die Leere erfahrbar.